Dreijähriger im Rollstuhl bekommt keinen dauerhaften KiTa-Platz

Eichwalde. Dass Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam die Kindertagesstätte besuchen, gemeinsam in der Schule lernen ist auch in Eichwalde ein Thema mit sozialer Sprengkraft. Das gilt ganz besonders für die Betreuung in Kindertagesstätten. In Eichwalde gestaltet sich die Umsetzung der Konvention der Vereinten Nationen (UN) zur Gleichstellung Behinderter Menschen als schwierig. Denn seit gut einem Jahr sucht eine junge Mutter für ihren zweieinhalbjährigen Sohn einen dauerhaften Platz in einer Kindertagesstätte in Eichwalde. Klettern, im Sandkasten spielen, auf dem Boden herumtollen kann ihr Sprössling nicht, denn er sitzt im Rollstuhl. Zwar hatte die Mutter im vergangenen Jahr ihren Sohn einen Platz in der KiTa Haus der kleinen Strolche bekommen, doch die Betreuung wurde ihr lediglich bis Ende Juli 2014 zugesichert. Denn ihr Sohn hat einen erhöhten sozialpädagogischen Förderbedarf. Zurzeit wird er in der Gruppe der unter Dreijährigen betreut.

Das Haus der kleinen Strolche, ein alter Bau, erst 2010 komplett saniert mit neuem Anbau versehen ist nicht komplett barrierefrei. (Foto: Jörg Levermann)
Das Haus der kleinen Strolche, ein alter Bau, erst 2010 komplett saniert mit neuem Anbau versehen ist nicht komplett barrierefrei. (Foto: Jörg Levermann)

Im vergangenen Jahr stieg die 27-Jährige wieder in den Beruf ein. Häufigere Behandlungen ihres Sohnes im Krankenhaus machten den Wiedereinstieg schwer. Die Betreuung in der kommunalen KiTa war und ist eine große Hilfe, auch deshalb, weil sich ihr Sprössling in der Einrichtung wohl fühlt. Er sei in der Gruppe trotz seiner Behinderung voll integriert. Die Kinder liebten ihn und bewegten ihn mit dem Therapiestuhl durch die KiTa. Er sei ziemlich selbstständig, fordere aber auch die Kameraden auf, ihm Spielzeug zu bringen, wenn er es nicht selbst erreichen könne, erklärte die Mutter.

Derzeit hat die Gemeinde zehn weitere Stellen für Erzieherinnen und Erzieher für KiTa und Hort zu besetzen, ein Heilerziehungspfleger mit entsprechender Qualifikation für beeinträchtigte Kinder ist derzeit nicht vorgesehen.

Barrierefrei ohne Aufzug?

Derzeit errichtet die Gemeinde Eichwalde einen Erweiterungsbau der KiTa Haus der kleinen Strolche für Kinder bis zu drei Jahren. Denn im vergangenen Jahr hatte die Kommune festgestellt, dass sie 40 Kita-Plätze zu wenig hat. Rund 750.000 Euro sind für das Haus im Haushalt 2014 vorgesehen. Ebenso fließen Fördermittel vom Land Brandenburg. Allerdings ist nicht nachvollziehbar, warum bei den Planungen der Einbau eines Aufzugs nicht berücksichtigt wurde. Der Mehraufwand dafür beträgt nach Recherchen der Eichwalder nachrichten etwa 26.000 Euro. Auch der 2010 errichtete und im April 2011 eröffnete Anbau der KiTa hat keinen Lift. Die KiTa ist lediglich im Erdgeschoss barrierefrei. Dabei hatte Deutschland bereits 2006 die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen unterzeichnet, die hierzulande 2008 in Kraft getreten ist. Demnach muss allen Menschen die Teilhabe am sozialen und öffentlichen Leben ermöglicht werden. Daraus folgt, dass kein Mensch aufgrund einer Behinderung diskriminiert oder benachteiligt werden darf. Offensichtlich haben Verwaltung und Lokalpolitiker in Eichwalde nicht gründlich genug darüber nachgedacht, wie die UN-Konvention in jeder Einrichtung im Ort umgesetzt werden kann.

Auch der Erweiterungsbau der KiTa Haus der Kleinen Strolche, der derzeit errichtet wird, erhält keinen Aufzug und ist nur im Erdgeschoss barrierefrei. (Foto: Jörg Levermann)
Auch der Erweiterungsbau der KiTa Haus der Kleinen Strolche, der derzeit errichtet wird, erhält keinen Aufzug und ist nur im Erdgeschoss barrierefrei. (Foto: Jörg Levermann)

Bei den Planungen sowohl für den Anbau der KiTa, als auch für den Erweiterungsbau für unter Dreijährige wurde die Gleichstellungsbeauftragte Monika Grabow, die auch für die Rechte beeinträchtigter Menschen zuständig ist, weder von der Verwaltung noch von der Gemeindevertretung um eine Einschätzung oder Stellungnahme zu den Plänen gebeten. Sie habe aber im Kultur- und Sozialausschuss angemerkt, die Barrierefreiheit beim Neubau zu berücksichtigen, erklärte Grabow gegenüber den Eichwalder Nachrichten.

Gemeinde Rät der Mutter ihren Sohn in eine KiTa in Königs-Wusterhausen zu geben

Die Mutter hatte im vergangenen Jahr mehrere Gespräche mit der Gemeindeverwaltung geführt, um einen dauerhaften KiTa-Platz für ihren Sohn in Eichwalde zu bekommen. „Wir sehen keine Möglichkeit, das Kind hier in Eichwalde adäquat versorgen zu können“, erklärte Bürgermeister Bernd Speer, „wir hatten keine andere Wahl.“ In der KiTa Haus der kleinen Strolche seien die baulichen Voraussetzungen nicht vorhanden, um ein Rollstuhl fahrendes Kind zu betreuen, so Speer. „Wir wollten es der Mutter eigentlich in Eichwalde ermöglichen ihr Kind in der KiTa betreuen zu lassen, bekommen es aber alleine nicht hin“, fügte Speer hinzu. Und weil diese baulichen Voraussetzungen nicht gegeben seien, könne die Gemeinde kein heilpädagogisches Fachpersonal einstellen. „Wir haben den Eltern dringend ans Herz gelegt, dass ihr Sohn in eine integrative Kindertagesstätte geht“, so der Bürgermeister.

„Wir wollten der Mutter helfen. Doch die Gemeinde kann ihr nicht entgegen kommen“, erklärte dazu der Sozialdezernent des Landkreises Dahme-Spreewald Carsten Saß (CDU). Von Seiten des Kreises habe man der Gemeinde signalisiert, sie zu unterstützen. Nach dem Sozialgesetzbuch stehe dem Jungen eine Förderung durch entsprechendes Fachpersonal zu.

Integrativer Kindergarten in Königs Wusterhausen

In Königs Wusterhausen gibt es den integrativen Kindergarten Spielspaß der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Rund ein Viertel der dort betreuten Kinder haben einen heilpädagogischen Förderbedarf. Die integrative AWO-KiTa ist rund zwölf Kilometer vom Zuhause der jungen Eichwalder Familie entfernt. Auch ein Fahrdienst, der beeinträchtigte Kinder abholt und zu dieser Einrichtung bringt, ist eingerichtet. Allerdings bedeutet Inklusion auch, dass Behinderte und Kinder ohne Beeinträchtigung wohnortnah in gewöhnlichen Schulen lernen und sich in üblichen Kindergärten darauf vorbereiten. Die Lage der KiTa Spielspaß ist in diesem konkreten Fall wohl kaum als wohnortnah zu bezeichnen.

Der Eichwalder Junge hat seinen Lebensmittelpunkt im Ort, denn seine Großeltern leben gleich nebenan. Wahrscheinlich wird er in drei Jahren die Grundschule im Ort besuchen. Oder auch nicht. Denn ändert sich in Eichwalde nichts an dem Willen von Politik und Verwaltung, die Inklusion konsequent umzusetzen, wird die Familie womöglich nach Königs Wusterhausen ziehen oder in einem Nachbarort nach einer KiTa suchen müssen. Längerfristig führt dies generell dazu, dass Familien mit Kindern, die speziell gefördert werden müssen, aus Eichwalde fortziehen. Andere betroffene Familien, die mit dem Gedanken spielen sich hier niederzulassen, werden deshalb gegebenenfalls Eichwalde als Wohnort ausschließen.

Kommentare sind geschlossen.