Spurensuche: Relikte einer fast vergessenen Grenze

Eichwalde (pm). Nur wenig Menschen in Eichwalde wissen, dass es bis zum Bau der Berliner Mauer eine Grenze gab, die den Ort von der Hauptstadt trennte. Überbleibsel davon sind noch heute zu finden. Burkhard Fritz begab sich mit seiner Kamera auf Spurensuche, sprach mit Zeitzeugen und stöberte in alten Unterlagen. Daraus ist eine Ausstellung in der Alten Feuerwache entstanden, die am Freitag, 12. Februar 2016, um 19 Uhr eröffnet wird. Der Besuch der Vernissage und Ausstellung in der Bahnhofstraße 79 ist kostenlos.

Unter dem Titel „GRENZGÄNGE Bäume/Zäune/Grenzen – eine Spurensuche“ zeigt Burkhard Fritz aus Eichwalde zeigt Fotos von Bäumen im Grünauer Wald, an denen einst Grenzzäune befestigt waren. Vor 63 Jahren gab es zwischen dem sowjetischen Sektor Berlins – also Ostberlin, und dem DDR-Gebiet, zu dem Eichwalde gehörte – eine Grenzziehung. Reste davon sind noch heute mit gezieltem Blick zu finden.

Relikte einer Grenze zwischen Berlin und der sowjetisch besetzten Zone werden in der Ausstellung in der Alten Feuerwache gezeigt. (Foto: Burkhard Fritz)
Relikte einer Grenze zwischen Berlin und der sowjetisch besetzten Zone werden in der Ausstellung in der Alten Feuerwache gezeigt. (Foto: Burkhard Fritz)

Was war das für eine Grenze, und wie lange gab es sie? Auch das erfährt man in der Ausstellung des Eichwalder Heimatvereins Bei der Vernissage am Freitag, die durch den Vorsitzenden des Heimatvereins Jörg Jenoch eröffnet wird, kommt auch der Schriftsteller Horst Bosetzky zu Wort. Denn er erinnert sich an die Zeit, als er als Westberliner seine Oma in Schmöckwitz besuchte und dabei Eichwalde passieren musste. Musikalisch wird die Vernissage von Katharina Micada auf der „Singenden Säge“ begleitet. Die Ausstellung ist vom 13. Februar bis zum 20. März 2016 jeweils Freitag bis Sonntag von 15 bis 18 Uhr geöffnet.

Recherchen über eine weithin unbekannte Grenze

Die Grenzziehung auf der Waldstraße kannte Burkhard Fritz nur aus Erzählungen des Vaters. Er selbst war damals ein Jahre alt, als seine Familie 1952 in die Waldstraße zog.
Aus eigener Erinnerung ist ihm nur der Stacheldrahtzaun hinter der Schmöckwitzer Siedlung zum Grünauer Wald hin bekannt. Viele Jahre später fand er zunehmend Beweise und Unterlagen, die belegten, dass tatsächlich für wenige Monate Anfang der 1950er Jahre ein Grenzzaun mitten auf der Waldstraße, Berlin vom übrigen DDR-Gebiet, also auch Eichwalde, trennte. Kaum ein Jahr später wurde aus dem Draht- ein Stacheldrahtzaun, der nun aber hinter der Schmöckwitzer Siedlung an den Waldrand verlegt wurde. Erst mit dem Mauerbau 1961 wurde diese Umzäunung hinfällig.

Um 2003 herum entdeckte Burkhard Fritz bei einem Waldlauf im Grünauer Wald Reste dieses Stacheldrahtzauns an den inzwischen großen Bäumen. Dank seiner Erinnerung und anhand dieser übrig gebliebenen Spuren konnte er den damaligen Grenzverlauf nachvollziehen. Mit der Kamera hat Fritz diese Relikte dokumentiert. Inzwischen sind die Stacheldrahtreste von Baumrinde stark umwachsen – der Förster spricht von „umwallt“. Fritz recherchierte nach Unterlagen zum Grenzverlauf auf der Waldstraße und im Grünauer Forst, nach Fotos gegraben, Zeitzeugen befragt, wie das mit der Grenze war, und warum es sie überhaupt gab. Diese Gespräche mit Menschen, die er in Eichwalde, Berlin und außerhalb traf, ergänzten die Daten und Erkenntnisse.

Mit der Ausstellung bleibt ein weitgehend unbekannter Aspekt der Eichwalder Geschichte in Erinnerung, und es wird gezeigt, wie sich im Laufe der Jahrzehnte die Natur dieser zeitweiligen Grenze bemächtigt hat. Die verbliebenen Spuren weisen auf ein Kapitel der Nachkriegszeit hin, das in der Weltgeschichte als der Kalte Krieg zum Bestandteil der Deutschen Geschichte wurde.

Viel Unterstützung für die Vorbereitung und Recherche zur Ausstellung

In den Jahren der Ausstellungsvorbereitung hatte Burkhard Fritz viel Ermutigung von Eichwalder Bürgern erfahren. Unterstützt wurde er dabei auch von der zuständigen Revierförsterei Berlin-Grünau. Entgegen einer opulenten Literaturlage zur Berliner Mauer, wird dieser immerhin achtjährige Grenzverlauf zwischen Berlin (Ost) und der angrenzenden sowjetisch besetzten Zone nur sehr rudimentär behandelt.

Als Veranstalter ist der Eichwalder Heimatverein e. V. dankbar, dass diese Ausstellung in einer Zeit entstehen konnte, in der es hierzulande keine solchen Grenzen mehr gibt – zumindest im wiedervereinigten Deutschland. Besonders für die Generation, die glücklicherweise Mauer und Stacheldraht nicht mehr erleben muss, soll damit ein kleines Stück Zeitgeschichte gezeigt werden. Aber es zeigt auch die Kraft der Natur, die sich Fremdkörper auf bizarre Weise einverleibt.

Zur Ausstellung hat der Heimatverein eine Broschüre, das Heimatheft Nr. 10 erstellt. Inhalt ist der zeitgeschichtliche Hintergrund, der diese Grenzziehung zur Folge hatte. Volker Panecke und Birgitt Klunk haben Informationen zusammengetragen. Das gemeindeeigene Heimatarchiv Eichwalde und die Ortschronisten haben für die Ausstellung und die Broschüre ebenso Bildmaterial und Dokumente zur Verfügung gestellt. Burkhard Fritz hat einige der Bilder aus der Ausstellung als Fotoimpressionen beigesteuert.

Am Sonnabend, 27. Februar 2016, lädt Burkhard Fritz zu einem Spaziergang ein. Um 10 Uhr wird er mit Interessierten auf eine etwa dreistündige Spurensuche in den Grünauer Forst gehen. Treffpunkt ist Ecke Waldstraße, Grünauer Straße. Anmelden zur kostenfreien Tour kann man sich per E-Mail unter post@heimatverein-eichwalde.de oder telefonisch unter 030-62640303. (jl)