Beim Schallschutz ist Null eben nicht ganz null

Schulzendorf. Rund 160 Menschen, kamen am 25. Oktober 2012 in die Schulzendorfer Mehrzweckhalle, um aus direkter Quelle vom Schallschutzbeauftragten des Flughafens, Peter Lehmann, zu erfahren, was sie vom neunen Hauptstadtflughafen künftig in Sachen Schallschutz zu erwarten haben. Sicher ist, es dürften deutlich mehr Betroffene in Schulzendorf und Eichwalde leben, die künftig in ihren Häusern und Wohnungen tagsüber einen durchschnittlichen Dauerschallpegel von mehr als 55 dB(A) zu erwarten haben, als jene, die zur Veranstaltung kamen. Dazu eingeladen hatten die Gemeinden Eichwalde und Schulzendorf. Die durchschnittliche Lärmbelastung darf in Innenräumen laut Planfeststellungsbeschluss und gerichtlicher Bestätigung nicht ein einziges Mal am Tag überschritten werden.

Peter Lehmann (rechts) erklärte in der Schulzendorfer Mehrzweckhalle, was Betroffene in der Tagschutzzone in Sachen Schallschutz erwarten können. Rechts im Bild: Michael Launicke, stellvertretender Bürgermeister von Eichwalde. (Foto: Jörg Levermann)
Peter Lehmann (rechts) erklärte in der Schulzendorfer Mehrzweckhalle, was Betroffene in der Tagschutzzone in Sachen Schallschutz erwarten können. Rechts im Bild: Michael Launicke, stellvertretender Bürgermeister von Eichwalde. (Foto: Jörg Levermann)

„Für uns war nicht eindeutig klar, was mit Null gemeint ist. Wir sind daher an die Genehmigungsbehörde heran getreten, um zu erfahren, was genau mit Null mal 55  dB(A) gemeint ist“, sagte der Peter Lehmann. Die Behörde habe auf die Deutsche Industrienorm DIN 1333 verwiesen, wonach alles was kleiner als 0,5 ist, Null entspricht. Somit sei diese Norm für den Flughafenbetreiber entscheidend.

Insgesamt leben rund 14.000 Menschen im Tagschutzgebiet. Unabhängig, ob die Betroffenen bereits Vereinbarungen zur Kostenerstattung unterschrieben haben, Schallschutzmaßnahmen bestellt oder gar erhalten haben, seien nun alle Vorgänge zu prüfen. Es seien rund  18.200 Anträge, die bis zum  27. Oktober 2013 beschieden werden müssten, wenn der Flughafen in Betrieb gehe. Wer bereits Schallschutz erhalten habe, habe möglicherweise Anspruch auf weitere Schallschutzmaßnahmen, so Lehmann.

Auch öffentliche Einrichtungen, wie Schulen und Kindergärten sollen rechtzeitig, bevor die ersten Jets vom Flughafen Berlin Brandenburg „Willy Brand“ abheben, mit schallschluckenden Fenstern und Lüftungsanlagen ausgestattet werden. Jedoch hätten von den 50 betroffenen Einrichtungen zehn Träger noch keine entsprechenden Anträge gestellt, erklärte der Schallschutzbeauftragte.

„Wer Baumaßnahmen begonnen hat, oder bereits Fenster produzieren lassen hat, dem empfehlen wir, diese Fenster auch einbauen zu lassen“, sagte Lehmann. Falls das Schallschutzziel mit diesen Schallschutzfenstern nicht erreicht werde, erhielten die Betroffenen eine Entschädigungszahlung. Darüber hinaus habe der Flughafen für Härtefälle rund 10 Millionen Euro für Entschädigungen zur Verfügung gestellt, beispielsweise für Wohnküchen, die mindestens acht Quadratmeter groß sind. Nutzer von Wohnräumen unter dem Dach können auch dann mit Zahlungen rechnen, wenn die übliche Bauhöhe von mindestens 2,15 m unterschritten wurde. 350 Anträge dieser Art lägen bereits vor.

Eigentümer von Altimmobilien mit geringem Verkehrswert bekommen weniger

Für Unmut bei den Zuhörern sorgte die so genannte Kappungsgrenze. Denn wenn der ermittelte Betrag der Erstattung für die Kosten von Schallschutzfenstern und weiteren Maßnahmen 30 Prozent des Verkehrswertes der Immobilie übersteigt, wird nur ein Drittel des Verkehrswertes vom Betreiber des neuen Hauptstadtflughafen erstattet. Der jeweilige Verkehrswert werde im Rahmen eines Gutachtens ermittelt, erklärte Lehmann. Insgesamt seien es rund 3.000 Betroffene, dessen Immobilien durch vereidigte Gutachter bewertet würden. Wenn die Betroffenen allerdings weitere Gutachter hinzu ziehen würden, habe das möglicherweise Verzögerungen zur Folge, mahnte Lehman dies zu überdenken.

Auf die Kritik, dass die Kappungsgrenze zu Ungerechtigkeiten führe, erklärte Lehmann, er gebe nur wider, was im Planfeststellungsbeschluss steht. „Ich halte es für Wichtig, festzustellen, dass es keine zivilrechtliche, sondern öffentlich-rechtliche Frage ist, um die es hier geht. Was Sie hier vorgestellt haben, ist überhaupt nicht vernünftig, wenn es um die Entscheidung des Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg geht, null mal 55 dB(A)“, kritisierte Eckhard Bock vom Verein zur Förderung der Umweltverträglichkeit des Verkehrs. „Wir haben konkrete Vorschläge für Formulierung gemacht. Es ist die Formulierung ein mal 55 dbA in 365 Tagen, so wie es im Planfeststellungsbeschluss 1999 festgelegt wurde“, fügte er hinzu. Er sehe seine Aufgabe darin, sich als Partner anzubieten, erklärte Lehmann. Wobei sich das was angeboten werde sich im Rahmen des Planfeststellungsbeschluss und der daran anschließenden Gerichtsentscheide bewegen müsse.

Unklar war in der Diskussion, wie häufig es zur Überschreitung des Lärmpegels von 55 dB(A) innerhalb von Wohnräumen in der Tagschutzzone kommen dürfe. In der Tat handele es sich um ein Durchschnittswert, der in den sechs Verkehrsreichsten Monaten ermittelt werde. Demnach dürfe innerhalb von drei Tagen der Grenzwert ein Mal Überschritten werden. Dabei gebe es keine Deckelung hinsichtlich der Lärmintensität.

Kritisiert wurden auch die Lüfter, die derzeit in betroffenen Wohnungen und Häusern eingebaut wurden. Diese saugen lediglich Außenluft an und drücken sie in die Wohnräume. Eine gleichzeitige Entlüftung mit Wärmetauscher ist derzeit nicht vorgesehen.

„Die Lüfter, die wir einbauen entsprechen, was derzeit technisch möglich ist“, erklärte Lehmann dazu. Zwei Unternehmen testeten spezielle Lüfter mit Wärmerückgewinnung seit einem Jahr. Allerdings seien bei diesen Geräten die Strömungsgeräusche sind sehr hoch. Daher haben man von dieser Lüftungstechnologie abgesehen, so der Schallschutzbeauftragte.