Frieden ist nicht die Abwesenheit von Krieg

Wer das Meer der Kriegsgräber in Verdun am Fort Douaumont sieht, wird vom Ausmaß tief beeindruckt sein. (Foto: Jörg Levermann)
Wer das Meer der Kriegsgräber in Verdun am Fort Douaumont sieht, wird vom Ausmaß tief beeindruckt sein. (Foto: Jörg Levermann)

Heute ist Volkstrauertag, ein staatlicher Gedenktag zur Erinnerung an die Opfer von Kriegen und Gewaltherrschaft. Millionen Menschen, Soldaten wie Zivilisten, Erwachsene wie Kinder, Männer und Frauen, verloren in den beiden Weltkriegen und unter der Nazi-Diktatur ihr Leben.

Jene Menschen, die nach 1945 in Deutschland geboren wurden, egal ob in der DDR oder in der BRD, zählen zu den glücklichen Generationen, die noch nie einen Krieg im eigenen Land erdulden mussten. Dabei haben sie vermutlich einfach nur Glück gehabt. Denn in den Jahren des Kalten Krieges gab es mehrmals Situationen, in denen aus dem Kalten Krieg fast ein heißer geworden wäre. Im Oktober 1961 waren es amerikanische und russische Panzer, die sich in Berlin am Checkpoint Charlie drohend gegenüber standen. Ein Jahr später war es die Kubakrise. Ein Atomkrieg schien damals durchaus realistisch. Es ging um russische Mittelstreckenraketen mit Zielen in Amerika, die auf der Insel stationiert wurden. In den 1980er Jahren vermutete die russische Satellitenaufklärung den Start mehrerer Interkontinentalraketen in den USA, die auf die UDSSR zusteuerten. Nur der Besonnenheit eines russischen Soldaten war es zu verdanken, dass sich die Menschheit nicht ausgelöscht hat.

Spätestens mit dem Einsatz von Bundeswehrsoldaten am Hindukusch wird klar, dass der Wunsch, den Willy Brandt treffend formulierte, dass nie wieder Krieg von Deutschland ausgehen soll, nicht mehr ernsthaftes Bestreben der Politik ist. Peter Struck hatte damals als Verteidigungsminister behauptet, dass deutsche Interessen am Hindukusch verteidigt würden. Was vielen Menschen hierzulande nicht bewusst ist und von Medien kaum thematisiert wird, ist die Tatsache, dass sich Afghanistan seit mehr als 30 Jahren im Krieg befindet. In den Köpfen der Menschen dort stecken noch immer altes Clan-Denken und Herrschertum nach althergebrachter Tradition. Wie kann man dann auf die Idee kommen, diesen Menschen innerhalb von wenigen Jahren Demokratie, Gleichberechtigung, gegenseitigen Respekt, Meinungsfreiheit, Recht auf Bildung, kurzum die Akzeptanz der Menschenrechte beizubringen – und das auch noch mit Leopard-Panzern und G3-Gewehren.

Vielen Menschen scheint inzwischen die Abwesenheit von Krieg hierzulande selbstverständlich zu sein. Doch sie ist es nicht. Wirklicher Frieden ist etwas anderes. Weltweit gibt es noch immer Konflikte unterschiedlicher Ausprägung. Längerfristig bleibt der Menschheit nur eine Perspektive: Wirklichen Frieden zu schaffen und die Ursachen für Krieg zu beseitigen. Dazu müssen Lösungen gefunden werden, die Reichtümer dieser Welt gerechter zu verteilen. Aber das kapitalistische Weltwirtschaftssystem, dass darauf basiert, Menschen und die Ressourcen dieses Planeten auszubeuten, wird nicht zum globalen Frieden beitragen können –  eine Diktatur des Proletariats sicherlich ebenso wenig. Vielleicht liegt die Lösung für mehr Frieden in der Welt in einem demokratischen System, dass sowohl freies Unternehmertum und Gewinnstreben zulässt, aber maßlose Ausbeutung von Mensch und Natur unterbindet.

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