Wie laut wird der Fluglärm wirklich? Dr. Günter Briese schrieb an Bürgermeister Speer

Dr. Günter Briese, engagierter Eichwalder, hat den zu erwartenden Fluglärm für Eichwalde berechnet. Er schrieb an Bürgermeister Speer und hat den Brief den Eichwalder Nachrichten zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt.

 

Von Dr. Günter Briese

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

Ihr Dankschreiben vom 16.Mai des. Jahres nahm ich erfreut zur Kenntnis. Es bestärkte mich in meiner Absicht, die Arbeit der Fluglärmkommission entsprechend gerade verabschiedeter neuer Zielrichtung im Sinne stärkerer Berücksichtigung hoher Dauerlärmpegel aktiv zu unterstützen. Auf die heutige Pressemeldung Anflugrouten für den BBI erwartet (MAZ 21. /22.05.11, S.5) und dem daraus entnehnbaren Fakt, daß zusätzlich auch Oststarts auf der ausnahmegenehmigungspflichtigen Route gemäß dem Münchener Modell behandelt werden sollen, welche weitgehend mit der Flugroute gemäß Planfeststellungsbeschluss (PFB) übereinstimmen dürfte, gebe ich Ihnen die erwartbaren praxis- und belastungsnäheren Dauerlämıpegel hierzu bekannt, welche wesentlich von den PFB-Werten abweichen. Ich folge damit Ihnen bereits bekannten Überlegungen aus deım Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg in Bezug auf deren Fortführung.

Die ganztagsbezogenen Dauerschallpegel für Eichwalde sind Ihnen bereits aus der Ihnen am 11. Januar des Jahres übergebenen Ausarbeitung bekannt. Wegeı der flugpraxismäßigen Konzentrierung der täglichen Flugbewegungen erhalten Sie nunmehr die tageszeitbezogenen (6.00 Uhr bis 22.00 Uhr) und stoßzeitbezogenen  (rush our) Dauerschallpegel sowie die sich bei der Realisierung der Vorschlägevon Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit für letztere ergebenden Dauerschallpegel.

Anstelle der startrichtungsunabhängigen 60-dB(A)-Werte gemäß PFB für die Tagschuzzonen-Grenze ergeben sich folgende startrichtungsbezogenen Dauerschallpegel bei Parallelstarts:

  • ganztagsbezogen: ca. 65 dB(A)
  • tageszeitbezogen: ca. 66 dB(A)
  • rush-our-bezogen (6-22 Uhr) 69 dB(A)
  • zusätzlich drehkreuzbezogn (500.000 Flugbewegungen pro Jahr statt 360.000 Flugbewegungen pro Jahr): ca. 71 dB(A)

Dauerschallpegel bei allein Südbahn-Starts à la Startregime London Heathrow:

  • ganztagsbezogen: ca. 68 dB(A)
  • tageszeitbezogen: ca. 69 dB(A)
  • rush-our-bezogen: ca. 72 dB(A)
  • zus. drehkreuzbezogen: ca. 74 dB(A)

Für die Nachtschutzzonen-Grenze 55 dB(A) gemäß PFB ergeben sich startrichtungsabhängig folgende Dauerschallpegel bei Parallelstarts:

  • ganztagsbezogen: ca. 56 dB(A)
  • tageszeitbezogen: ca. 58 dB(A)
  • rush-our-bezogen: ca. 61 dB(A)
  • zus. drehkreuzbezogen: ca. 63 dB(A)

Bei allein Südbahn-Starts ergeben sich folgende Dauerschallpegel:

  • ganztagsbezogen: ca. 63 dB(A)
  • tageszeitbezogen:  ca. 64 dB(A)
  • rush-hour-bezogen: ca. 67 dB(A)
  • zus. drehkreuzbezogen: ca. 69 dB(A)

Die Dauerschallpegelwerte (gerundet) liegen sämtlich oberhalb des für Absiedlungen vertretenen Dauerschalpegels von 60 dB(A), bei welchem sich zum Beispiel ein

  • Anstieg von Herz-Kreisklauf-Erkrankungen
    • von 69% bei Männern und
    • von 93% bei Frauen, ein
  • Anstieg der koronaren Herzkrankheit
    • von 61% bei Männern und
    • von 80% bei Frauen sowie ein
  • Anstieg von Schlaganfällen
    • 172% bei Frauen

ergibt, jeweils für Personen über 40 Jahre mit Klinik-Aufenthalt gemäß dem Beitrag Tödlicher Lärm von Matthias Bartsch in DER SPIEGEL 52/2009, S. 45, bezugnehmend auf die Studie des Bremer Mediziners und Epidemiologen Eberhard Greisner im Auftrag des Umweltbundesamtes zu 1.020.508 gesetzlich Versicherten aus Köln und zwei Nachbarkreisen, welche 55% der rund um den Flughafen Köln-Bonn lebenden Bevölkerung repräsentieren.

Auch ohne die gigantomanischen neuen internationalen Luftdrehkreuz-Vorstellungen ergibt sich gemäß Geisners Hochrechnung für das BBI-Umfeld folgendes Bild:

  • fast 5.000 Anwohner werden zusätzlich mit Herz-Kreislauf-Krankheiten in einer Klinik landen,
  • davon etwa 1.350 Anwohner mit einem Schalganfall: Selbst flächendeckender Schallschutzfenstereinbau, welcher in Eichwalde FBS-seitig (von Seiten der Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH, Anm. d. Red.) nicht einmal auch nur annähernd geplant ist, würde nach Greisner die Lage nicht entscheidend verbessern.

Die vorgenannten, meinerseits berechneten Dauerschallwerte stellen einen Auszug aus einer größeren Ausarbeitung dar, welcher Ihnen aus terminlichen Gründen (FLK-Beratung, FLK=Fluglärmkommission, Anm. d. Red.) vorab zugeht. Diese Werte werden Ihnen, wie ich hoffe bei der Durchsetzung der Interessen Ihrer Eichwalder Mitbürger in der Fluglärmkommission gemäß nach Arbeitsrichtungsänderung hin zu neuer Sachlichkeit tragfähige Argumente in die Hand geben.

Die grundsätzliche Richtigkeit der Art meiner Dauerschallpegel-Umrechnungen nach physikalischen Gesetzten vergleichbar mit den Ergebnis des Themenpapiers Nr. 60 der fdc Airport Consulting D. Faulenbach da Costa wurde mir anlässlich der vorletzten Eichwalder BBI-Demo auf dem Marktplatz von Herrn Ferdi Breidbach, BVBB-Ehrenvorsitzender, bestätigt.

Bei Flugrouten gemäß PFB beziehungsweise Münchener Modell wäre also Eichwalde komplett umzusiedeln!

Mit bestem Wünschen bezüglich Ihrer Arbeit in der Fluglärmkommision sowie

mit freundlichen Grüßen

 

Dr. G. Briese

 

 

Weitere Informationen (hinzu gefügt durch die Redaktion):

  • Risikofaktor nächtlicher Fluglärm – Abschlussbericht über eine Fall-Kontroll-Studie zu kardiovaskulären und psychischen Erkrankungen im Umfeld des Flughafens Köln-Bonn (PDF)
  • Auf der Website des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zum Thema Lärmschutz