Verbände und Initiativen beurteilen Entscheidung der Regierungsfraktionen zum Volksbegehren teilweise kritisch

Region. Ganz unterschiedlich wird die Entscheidung der Regierungsfraktionen des Landtags in Brandenburg von Bürgerinitiativen und Verbänden beurteilt. Die Fraktionen der SPD und der Linken hatten am Dienstag (19.2.2013) ganz unerwartet beschlossen, das Volksbegehren zum Nachtflugverbot anzunehmen und Verhandlungen mit dem Bund und dem Land Berlin aufzunehmen.

„Dass nun auch die Regierungsfraktionen in Brandenburg einlenken, ist ein bedeutender Sieg für die direkte Demokratie in Brandenburg und in Deutschland“, erklärte der Bürgerverein Leben in Zeuthen. Zugleich scheine sich in der Regierungskoalition die Erkenntnis durchzusetzen, dass ein Großprojekt wie der BER zum Scheitern verurteilt sei, wenn die Belange einer derart großen betroffenen Bevölkerungsgruppe systematisch ausgeblendet würden, heißt es in einer Presseerklärung des Vereins.

VDGN-Sprecher Ohm: „Thema Nachtflug soll aus Wahlkampf heraus gehalten werden“

Peter Ohm, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer sieht die Entscheidung der SPD-Fraktion und der Fraktion der Linken in Potsdam als ein taktisches Manöver der Koalition: „Wir sind skeptisch, was die Festigkeit des Willens der Brandenburger Regierungskoalition für ein Nachtflugverbot angeht. Ganz offensichtlich soll das Thema aus dem Bundestagswahlkampf 2013 und auch dem Wahlkampf für die Kommunal- und die Landtagswahlen 2014 in Brandenburg herausgehalten werden.“ Schon jetzt werde betont, daß man mit dem Land Berlin und dem Bund als weiteren Flughafeneignern verhandeln müsse. Wenn es schließlich heißen werde: „Wir hätten ja gern, doch die anderen wollten nicht“, solle sich niemand darüber wundern.

BVBB: „Ramsauer den Schwarzen Peter zuschieben“

Nach Einschätzung des Bürgervereins Brandenburg-Berlin (BVBB) werde die plötzliche Einsicht von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sowie seiner rot-roten Landesregierung, das Volksbegehren für ein Nachtflugverbot am BER anzunehmen, für den Schutz der Bevölkerung folgenlos bleiben. Die bloße Ankündigung der Absicht, ein Nachtflugverbot durchsetzen zu wollen, sei ein wahltaktisches Manöver. Denn nach einem Gutachtens des Parlamentarischen Beratungsdienstes des Brandenburger Landtags vom 6. April 2011 sei das Ministerium für Landwirtschaft und Infrastruktur (MIL) im Wege der Auftragsverwaltung des Bundes weisungsgebunden. Allerdings hätte Platzeck für eine glaubhafte Unterstützung des Volksbegehrens vom hoheitlichen Recht Gebrauch machen und Tatsachen schaffen können. Denn laut dem genannten Gutachten könne der Planfeststellungs- sowie der Planergänzungsbeschluss unter bestimmten Voraussetzungen durch das hierfür zuständige MIL geändert werden. In diesem Fall käme dann dem Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer die Rolle des Schwarzen Peters zu, der über die Auftragsverwaltung des Bundes alles Vorherige zunichte hätte machen müssen.

IHK: „Leistungsfähigkeit des Flughafens nicht zur Disposition stellen“

Obwohl es bei den Regelungen zum Nachtflug am künftigen Hauptstadtflughafen BER um Flugbewegungen in der Nacht geht, macht die Industrie und Handelskammer Cottbus die Nacht zu Tag: „Eine eingeschränkte Nutzung der Tagesrandzeiten ist aus wirtschaftlicher Sicht nicht akzeptabel.“ Bei allem Verständnis für die Belange der Flughafenanrainer dürfe die Leistungsfähigkeit des neuen Flughafens nicht zur Disposition stehen“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Grundsätzlich begrüßt die Wirtschaft allerdings die Bemühungen der Landesregierung Brandenburgs und der sie tragenden Koalitionsparteien, die Interessen zwischen den wirtschaftlichen Notwendigkeiten eines funktionierenden Flughafens BER und den von Fluglärm betroffenen Anwohnern auszugleichen“, so Dr. Wolfgang Krüger, Hauptgeschäftsführer der IHK Cottbus. Daher solle man im künftigen Vollzug des Flugbetriebes alle Möglichkeiten ausschöpfen, die zu einer Minimierung der Lärmbelastung führen. Dazu zählten unter anderem:

  • Wechselnde Nutzung der Nord- und Südbahn für Starts und Landungen in den Tagesrandzeiten
  • Umfassende Schallschutzmaßnahmen in den Anwohnergebieten alter und neuer Flugrouten

Die IHK Cottbus fordert dazu die Bereitstellung umfänglicher Finanzmittel von den Flughafengesellschaftern Brandenburg, Berlin und Bund für alle gerichtlich bestätigten Schallschutzmaßnahmen, ungeachtet der bereits angespannten Finanzierungssituation des neuen Flughafens. Darüber hinaus fordere die Wirtschaft, das Management des Schallschutzprogrammes schnellstmöglich auszuschreiben und an ein erfahrenes externes Projektbüro zu vergeben. So könne für das Programm Akzeptanz erlangen und das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewonnen werden. (jl)

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