Deutschland muss jetzt handeln für eine gemeinsame Zukunft

Die Angst vor einem dritten Weltkrieg geht um in Deutschland. Dr. Uwe Malich, Bürgermeister der Stadt Wildau, beschwört unsere Politiker,  sich als ehrliche Makler verstärkt einzubringen, um den Konflikt in der Ukraine zu entschärfen. Auch wenn die Vorgänge in der Ukraine kein lokales Thema für die Eichwalder Nachrichten sind, würde ein Krieg auch die Menschen hier direkt betreffen. Deshalb veröffentlichen wir hier Uwe Malichs Gedanken zum ersten und zweiten Weltkrieg sowie zur drohenden Gefahr, dass sich der Konflikt in der Ukraine ausweitet.

Von Dr. Uwe Malich

Die Irrsinnspirale in Richtung (Welt-)Krieg sofort stoppen!

Es mag vermessen erscheinen, dass der kleine Bürgermeister der kleinen (aber wichtigen) Stadt Wildau sich in dieser Angelegenheit gegenüber der Öffentlichkeit äußert. Aber es geht hier um die Existenz auch der Stadt Wildau, um das Leben und das Wohlbefinden ihrer Bürger. Außerdem habe ich mich in meinem ersten Beruf als Wirtschaftshistoriker wissenschaftlich u.a. mit den Ursachen des 1. Weltkrieges beschäftigt. Es gibt einige erschreckende Parallelen zur Situation heute.

Dazu gehört eine deutlich anti-russische Stimmung, die von den Medien geschürt wird, damals (vor 100 Jahren) wie heute. Mit der die Politik wirksam unter Druck gesetzt wurde und wird, damals wie heute. Auch in den 30-er Jahren des 20. Jahrhunderts (ab 1933) gab es eine stark anti-russische Ausrichtung der öffentlichen Meinung in Deutschland. Zu dieser Zeit angeführt von der Politik. Im Sommer 1939 wurde diese anti-russische Ausrichtung der deutschen Politik und Medien aus taktischen Gründen kurzzeitig überdeckt, um Mitte 1941 mit historisch bis dahin nicht gekannter Brutalität wieder aufgenommen zu werden. Deutschland hatte sich im 20. Jahrhundert (namentlich in dessen erster Hälfte) radikal von Bismarcks vorsichtig-positiver Russlandpolitik (Ausgleich und Rückversicherung) abgewandt. Letztlich zum Schaden für Deutschland und die Deutschen.

1914 war in Deutschland lange Zeit vergangen seit dem letzten größeren Krieg, an dem Deutschland unmittelbar beteiligt war. Der Deutsch-Französisch Krieg von 1870/71 lag 43 Jahre zurück. Die neuen Entscheider hatten 1914 keinen praktischen Bezug mehr zu dem vorherigen Krieg, der zwar für Deutschland siegreich verlief, aber für die Teilnehmer dennoch vielfach mit Tod, Verwundung und weiteren Schrecknissen verbunden war. Die 1914 verantwortlichen Politiker und Militärs kannten den Deutsch-Französischen Krieg nur noch aus der Literatur, aus Heldensagen und Gemälden. Auch die heutigen Entscheider aller Länder kennen den 2. Weltkrieg, den letzten großen Krieg, nur aus zweiter Hand, aus vielfältigen Berichten, Filmen, Büchern, Fotographien. Auch aus sehr ergreifenden Darstellungen, aber dennoch nicht aus eigenem Erleben. Helmut Schmidt ist nicht mehr deutscher Bundeskanzler. Die nach 1945 in der Öffentlichkeit dominierende Einsicht „Nie wieder Krieg“, ist in den Hintergrund geraten. Teile der deutschen Medien „flirten“ geradezu mit dem Kriegsthema. Sie wissen nicht, was sie tun!

Historisch liegt in Kriegsprozessen fast immer eine ausgeprägte Selbstverstärkungstendenz, in welcher der Krieg schließlich kaum noch zu kontrollieren oder gar zu stoppen ist. Und die Folgen werden immer schlimmer, der Krieg wird immer sinnloser und zugleich immer fürchterlicher. Bereits im Herbst 1914 hatte der preußische Kriegsminister erkannt, dass Deutschland den am 1. August 1914 begonnenen Krieg nicht mehr gewinnen kann. Trotzdem führte das Reich diesen schrecklichen Krieg noch vier Jahre lang weiter, mit vielen Millionen Toten (insgesamt über 15 Millionen Tote).

Wer das Meer der Kriegsgräber in Verdun am Fort Douaumont gesehen hat, wird von der großen Zahl der Grabkreuze tief beeindruckt sein. Solche und andere Stätten sollten eine Mahnung an die Menschheit sein. Derzeit scheinen viele Politiker weltweit vergessen zu haben, was zwei Weltkriege angerichtet haben, wenn sie leichtfertig von der Gefahr eines dritten Weltkrieges sprechen. (Foto: Jörg Levermann)
Wer das Meer der Kriegsgräber in Verdun am Fort Douaumont gesehen hat, wird von der großen Zahl der Grabkreuze tief beeindruckt sein. Solche und andere Stätten sollten eine Mahnung an die Menschheit sein. Derzeit scheinen viele Politiker weltweit vergessen zu haben, was zwei Weltkriege angerichtet haben, wenn sie leichtfertig von der Gefahr eines dritten Weltkrieges sprechen. (Foto: Jörg Levermann)

Und, am Beginn des 1. Weltkrieges wusste so gut wie niemand, welche Art Krieg den Ländern, den Völkern, den Menschen bevorstand. Weder die führenden Politiker, noch die Militärs, noch die Normalbürger wussten, was kommen würde. (Nur einige wissenschaftliche Außenseiter ahnten die Konsequenzen eines damals modernen, der erreichten industriellen Entwicklung entsprechend hoch technisierten Krieges, darunter sehr früh schon Friedrich Engels.) Die deutsche politische und militärische Führung ging von zwei großangelegten ca. sechswöchigen Feldzügen, zuerst nach Paris, dann nach Russland, aus (Schlieffen-Plan). Spätestens zu Weihnachten 1914 sollten die (siegreichen) Truppen wieder zu Hause sein. Es kam ganz anders als gedacht. Auch 1939 wurden die tatsächlichen Ausmaße und Verheerungen des 2. Weltkrieges (55 Millionen Tote, davon allein 27 Millionen so genannte Sowjet-Bürger, vor allem Russen und Ukrainer) kaum vorausgesehen.

Der aktuelle ukrainische Ministerpräsident hat im Zusammenhang mit der Verschärfung der innerukrainischen Krise eine Tendenz zum 3. Weltkrieg beschworen und dabei versucht, die Schuld dafür Russland zuzuweisen.  Ein möglicher 3. Weltkrieg ist nicht mit dem 2. Weltkrieg zu vergleichen. Ein dritter Weltkrieg könnte/würde die gesamte Menschheit vernichten. Die USA und Russland haben jeweils ein Atomwaffenpotenzial mit dem alles Leben auf der Erde mehrfach ausgelöscht werden könnte („overkill“). Auch Deutschland würde nicht verschont bleiben. Auch die medialen Darstellungen würden ihr Ende finden. Ob ein menschlicher Neuanfang nach dem Ende eines solchen Krieges möglich wäre, ist höchst fraglich. Die mögliche administrative Trennung der Ukraine aus vor allem internen Gründen ist ein relativ kleiner Einschnitt im Vergleich zu den drohenden Konsequenzen einer weiteren militärischen/kriegerischen Zuspitzung und Entladung des ukrainischen Konfliktes.

 

Deutschland könnte und sollte versuchen, auf verschiedenen Kanälen und mit höchstem Einsatz als ehrlicher Makler den ukrainischen Konflikt zu entschärften. Deutschland hat viele Möglichkeiten. Deutschland hat auch eine historische Verpflichtung. Und wir haben eigene Interessen an einer guten Zukunft mit allen unseren Nachbarn im Osten Europas. Diese Maklerrolle kann aber nicht gelingen mit einer anti-russischen Grundeinstellung auf unserer Seite. Wir müssen Russland ernst nehmen. Wir müssen Russland als Partner sehen und nehmen. Als Partner eigener Art, als wichtigen Partner. Wir müssen einen solchen Blick auf die Verhältnisse im Osten aber nicht völlig neu erfinden. Schon Bismarck war soweit. Kommunikation und Dialoge können und müssen die militärische/kriegerische Konfliktzuspitzung sofort beenden.