Staatsanwaltschaft Cottbus plädiert auf 15 Jahre Haft

Das Foto zeigt das Gebäude des Amtsgerichts Cottbus. Erbaut wurde es 1876 auf dem Gerichtsberg in Cottbus. (Foto: Jörg Levermann).
Vor der dritten Strafkammer des Landgerichts Cottbus hielten am Mittwoch die Staatsanwaltschaft und eine Anwältin der beiden Nebenkläger ihre Plädoyers zum Prozess um die in Eichwalde ermordete Schülerin Alyssa. Dem Angeklagten 21-Jährigen drohen 15 Jahre Haft nach Jugendstrafrecht. (Foto: Jörg Levermann)

Eichwalde/Cottbus. 15 Jahre Haft nach Jugendstrafrecht forderte Staatsanwältin Lukoschus in ihrem Plädoyer am Montag beim Landgericht Cottbus für den 21-jährigen Angeklagten Maurice M.. Ihm wird vorgeworfen die 14-Jährige Alyssa aus Eichwalde mit mindestens 78 Messerstichen ermordet zu haben. Während der Tat soll er einen Schulfreund der Getöteten verletzt haben, als dieser versuchte, dem Mädchen zu helfen. Anwältin Lambert, die den Mitschüler als Nebenkläger vertritt, schloss sich den Ausführungen der Staatsanwaltschaft an. Sie hob dabei die außergewöhnliche Brutalität und Gefühllosigkeit des Angeklagten hervor, die er bis zum heutigen Tag zeige.

Im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft fand sie die außerordentliche Grausamkeit durch die Zeugenaussagen von Rettungssanitätern, der Notärztin und vom Rechtsmediziner bestätigt. Alyssas Schulfreund Willi habe die Tat mit ansehen müssen, hatte Angst um sein Leben, als er ihr versuchte zu helfen. Er leide noch heute unter den psychischen Folgen der Tat, unter anderem Schlaflosigkeit und Konzentrationsschwäche. Das wirke sich auch auf seine schulischen Leistungen aus. Seine verletzte Hand müsse zudem erneut operiert werden, so die Anwältin.

Seit August 2014 lief die Beweisaufnahme zu der grausamen Tat. Das langwierige Verfahren war notwendig, da der Angeklagte aus Lohmar zu den Vorwürfen schwieg. Zwar hatte er am zweiten Verhandlungstag des Verfahrens keinen Punkt der Anklage abgestritten und schriftlich erklärt, dass es im leid täte, „was ihm passiert sei“. Doch als umfassendes Geständnis ist das nicht zu bewerten.

Offenbar fehlt dem Angeklagten jegliche Fähigkeit, sein eigenes Handeln einzuordnen und sich damit gedanklich auseinander zu setzen. Auch daraus lässt sich seine narzisstische Persönlichkeitsstörung ablesen, die ihm der forensische Gutachter im Verlauf des Prozesses bescheinigte.

Der Angeklagte war zum Tatzeitpunkt 20 Jahre alt. Daher kann das Jugendstrafrecht angewendet werden. Bei besonders schweren Straftaten sieht es bis zu 15 Jahre Haft vor. Maurice M. zeige jugendtypische Verhaltensweisen. Das Persönlichkeitsbild des Angeklagten zeuge von einer jugendlichen Unreife, so die Staatsanwältin. Das forensische Gutachten bescheinigte ihm zudem eine schwere Persönlichkeitsstörung. Dennoch „kommt hier eine verminderte Schuldfähigkeit nicht in Betracht“, fügte sie hinzu. Darüber hinaus habe sich der Angeklagte von der Untersuchungshaft unbeeindruckt gezeigt, vielmehr sich von der Tat distanziert, erklärte die Staatsanwältin mit Blick auf die Zeugenaussage der Gefängnispsychologin. Die hohe Anzahl der Messerstiche belegten den unabdingbaren Tötungswillen. Daher hielt Staatsanwältin Lukoschus nicht zehn, sondern 15 Jahre Haft für angemessen.

In dem Plädoyer fasste die Staatsanwaltschaft die wesentlichen Fakten aus dem Prozess zusammen: M. hatte die Schülerin im Mai 2013 in einem Internet-Forum zum Thema Manga-Comics kennen gelernt, den Kontakt weiter vertieft und nahezu täglich mit dem Mädchen über Online-Medien und SMS kommuniziert. Er habe ihr von seinen Selbstmordgedanken erzählt. Auch habe der Angeklagte vom Selbstmord des älteren Bruders von Alyssa gewusst. Es kam zu einem ersten Besuch des Angeklagten in Eichwalde. Danach fühlte sich die Schülerin zunehmend von dem damals 20-jährigen bedrängt und unter Druck gesetzt. Das belegten umfangreiche Chat-Protokolle ebenso, wie die Tatsache dass Maurice M. weiteren Kontakt zu einer anderen Schülerin hatte, die er in ähnlicher Weise unter Druck gesetzt habe. Auf weitere SMS-Nachrichten habe sie teilnahmslos reagiert. Alyssa wollte sich von ihm trennen, aber nicht telefonisch, sondern in einem Gespräch. Ihre Eltern unterstützten das. Bei einem zweiten Treffen im Beisein ihrer Eltern beendete sie die Beziehung. M. habe noch einmal unter vier Augen mit Alyssa sprechen wollen, die Eltern verwehrten ihm das aber, da Vater Andreas befürchtete, dass er ihr etwas antun könnte. Alyssas Mutter Jeannette brachte M. zum Fernbus, mit dem er nach Köln zurückreisen wollte.

Der Angeklagte sei höchst planvoll vorgegangen, da er in seinen SMS-Nachrichten am Vorabend der Tat Alyssa vortäuscht habe, unterwegs nach Hause zu sein. Stattdessen quartierte er sich in einem Hotel in Grünau ein, verfasste einen Abschiedsbrief, in dem er seinen Selbstmord und Alyssas Tod ankündigte. Schon um 7 Uhr habe der Angeklagte in Eichwalde vor Alyssas Zuhause gestanden und auf sie gewartet. Im Mittag lauerte er dem Mädchen auf. Es kam zum Streit in dessen Folge sie Maurice M. eine Ohrfeige gab und sich danach von ihm abwandte. Daraufhin schlug er sie heimtückisch mit einer Bierflasche nieder, zerrte sie zu einem Baum, zog ein Messer aus einem bereit gestellten Rucksack und stach auf das Mädchen ein.

Als die Staatsanwältin dem Gericht die Details der Tat beschrieb, rang sie mehrfach um Fassung. Auch als sie aus dem Gutachten der Rechtsmedizin zitierte, war ihr anzumerken, wie sehr sie die grausamen Fakten emotional angriffen. Während dessen saß Maurice M. auf der Anklagebank mit tief gesenktem Kopf. Er blickte stumpf auf seinen leeren Aktenordner und zeigte keine äußere Regung. Sein leicht gerötetes Gesicht deutete darauf hin, dass er insgesamt etwas bedrückter wirkte als bei den bisherigen Prozesstagen. Dennoch machte er auch heute einen teilnahmslosen Eindruck.

Nächste Woche Dienstag sind die Plädoyers der Familie und des Opfers sowie der Verteidigung vorgesehen. Am 27. April kommt die Pflichtverteidigung zu Wort. Ende April soll das Urteil verkündet werden.

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