Großdemo in Schönefeld: BVBB und Bündnis gegen Flugrouten sind sich uneinig

Astrid Bothe, Vorsitzende des Bürgervereins Brandenburg-Berlin. (Foto: Jörg Levermann)
Astrid Bothe, Vorsitzende des Bürgervereins Brandenburg-Berlin. (Foto: Jörg Levermann)

Schönefeld. In der Summe waren es nach Angaben der Veranstalter rund 15.000 Demonstrierende, die gestern (23.1.2011) am Flughafen Schönefeld ihrem Ärger über den drohenden Fluglärm des künftigen Flughafens Berlin Brandenburg International (BBI) Luft machten. Ursprünglich waren es zwei Demonstrationen. Der Bürgerverein Brandenburg-Berlin (BVBB) hatte zum Protest ab 12 Uhr direkt vor dem Informationszentrum des BBI gegenüber des Bahnhofs Schönefeld aufgerufen. Zwischen 1.000 und 2.000 BVBB-Anhänger waren erschienen und forderten lautstark den sofortigen Baustopp in Schönefeld, den Neubau des BBI am Standort Sperenberg sowie ein Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr. Viele von ihnen trugen leuchtend grüne Westen mit der Aufgedruckten Forderung für einen Baustopp. Demonstranten aus Eichwalde, Schulzendorf, Zeuthen, Königs Wusterhausen und aus vielen anderen vom Fluglärm bedrohten Gemeinden zeigten ihre Präsenz mit auffälligen Plakaten und Ortsschildern.

„Die Organisatoren der Demonstration des Bündnisses Berlin Brandenburg gegen neue Flugrouten beabsichtigen, nur Demonstranten mit ihnen genehmen Schildern zu ihrer Demo zuzulassen“, warf BVBB-Vorsitzende Astrid Bothe dem Zusammenschluss von zwölf Bürgerinitiativen vor. „Wir werden uns den Mund nicht von Luxusbetroffenen aus Wannsee oder Zeuthen verbieten lassen“, fügte sie hinzu. Diesen Vorwurf wiesen Marela Bone-Winkel, Sprecherin der Bürgerinitiative Keine Flugrouten über Berlin und Martin Henkel von der Bürgerinitiative Zeuthen gegen Fluglärm, entschieden zurück: „Es gibt von uns nicht im Ansatz eine Aussage, dass nur uns genehme Schilder erwünscht sind“, erklärte dazu Henkel auf Nachfrage der Eichwalder Nachrichten.

Bothe: „Wer intelligente Flugrouten will, will in Wahrheit Fluglärm“

„Fast alle Neubetroffenen suchen ihr Heil nur in intelligenten Flugrouten und damit im Sankt-Florians-Prinzip. Andere Flugrouten bedeuten keine Beseitigung des Fluglärms, sondern nur eine Umverteilung des Lärms“, erklärte Bothe. Erstaunlich sei, dass jene, die über Flugrouten diskutieren bis heute nicht erkannt hätten, dass sie ihre Aktivitäten sehr zur Freude von Wowereit und Platzeck und zur Freude von Flughafen-Chef Schwarz führten. Deswegen würden sie auch in der Presse hofiert – während der BVBB als Störer in die Ecke gestellt werde. Denn Politik wisse genau, dass eine Diskussion über Flugrouten für sie ungefährlich sei. Der unabhängige Parallelflug sei höchstrichterlich genehmigt. Sollten Flugrouten festgelegt werden, die gegen den Beschluss verstießen, so würden sie von der Flughafengesellschaft erfolgreich beklagt werden. Tatsächlich solle die Flugrouten-Diskussion davon ablenken, politische Fehler zu bekämpfen. Wowereit, Platzeck und Schwarz fürchteten nichts mehr als politischen Druck, den sachfremden Standort aufzugeben. Der BVBB bleibe dabei: Wer intelligente Flugrouten wolle und sie für ein Segen halte, wolle in Wahrheit Fluglärm – nur eben nicht über dem eigenen Kopf.

Breidbach: „Es gibt nur eine Konsequenz, die heißt Baustopp.“

Der BVBB-Ehrenvorsitzende Ferdi Breidbach erklärte: „Die billige Antwort auf Schutz gegen gesundheitsgefährdenden Lärm, heißt Lärmschutzprogramm.“ Mit der Inbetriebnahme des BBI leben künftig bis zu 20.000 Kinder zwischen Eichwalde und Großbeeren in Schulen, Kindertagesstätten und Horten, die als Akustikkäfige umgebaut werden, schalldicht, künstlich belüftet und befeuchtet. Bei Unterweisung im Außenbereich, bei Spiel, in Pausen, störe dann alle paar Minuten der Krach eines Flugzeuges aus Überflughöhen zwischen 200 und 350 Meter. Das Ergebnis dieses Schallschutzes sei: Lernbehinderungen und 15 Prozent der Kinder, die vom Fluglärm krank würden, wie der Gutachter der Landesregierung dem Bundesverwaltungsgericht bestätigt habe. „Es gibt nur eine Konsequenz zur Verhinderung des Fluglärms, auch über Berlin. Die heißt Baustopp und Neuplanung für einen Internationalen Flughafen, der alle Zukunftsprobleme löst, die am Standort Schönefeld wie ein Klotz am Bein hängen“, sagte Breidbach. Der BVBB wolle dabei helfen und werde ab Mitte Februar ein Nachnutzungskonzept für die Gebäude am Standort Schönefeld öffentlich machen. Dieses Konzept schließe den Neubau eines internationalen Verkehrsflughafen Berlin Brandenburg für Deutschland ein. Am Standort Sperenberg könne ein Flughafen gebaut werden, der alle Eigenschaften habe, nach denen die Fluggesellschaften weltweit riefen: Unbegrenzter Nachtflug, unbegrenzte Ausbaufähigkeit, glänzende Voraussetzungen zur Entwicklung von Drehkreuzen, unter Berücksichtigung des wachsenden weltweiten Flugverkehrs, alles mit einem innerstädtischen Terminal in Schönefeld. Breidbach rief die Demonstrierenden auf, sich an dem Protestumzug Richtung Autobahn zu beteiligen und sich danach der zweiten Großkundgebung des Bündnisses Berlin Brandenburg gegen neue Flugrouten anzuschließen.

„Wir wollen ein Zeichen setzen, dass in Berlin und Brandenburg nicht zu überhören ist“, sagte Sabine Bergmann-Pohl, Schirmherrin des Zusammenschlusses der Flugroutengegner. Die einstige Vorsitzende der letzten DDR-Volkskammer erklärte, niemand habe sich 1989 vorstellen können, dass ein Flughafenprojekt mit Täuschungen der Bürger und möglicherweise mit fehlerhaften Unterlagen genehmigt wurde. Als Ärztin wisse sie, wie sehr der Fluglärm krank mache. Von den Politikern forderte sie verlässliches Handeln ein.

Peichl: „Fluglärmkommission hat keine Entscheidungskompetenz.“

Markus Peichl, Sprecher des Bündnisses und Vorsitzender des Vereins Weltkulturerbe Potsdam, erklärte: „Die Sitzung der Fluglärmkommission am vergangenen Montag hat keinerlei Entscheidungskompetenz. Unsere Hauptforderung bleibt die Rückkehr zu den alten Flugrouten.“ Die BVBB-Anhänger forderten indes immer wieder lautstark den sofortigen Baustopp. Peichl entgegnete: „Schon hat die Akzeptanz des BBI schaden genommen. Aus der Debatte um Flugrouten ist ein Skandal entstanden.“ Die Hauptforderungen des Bündnisses seien deshalb die Rückkehr zu den alten rechtssicheren Flugrouten, angemessene Entschädigungen für jene, die extrem vom Fluglärm betroffen seien und ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr.

Marela Bone-Winkel, Sprecherin der Bürgerinitiative Keine Flugrouten über Berlin, warnte davor, die „Betroffenheit gegeneinander aufzurechnen“, man laufe sonst Gefahr, von der Politik gegeneinander ausgespielt zu werden. „Ursache für die heutigen Proteste ist die falsche Standortwahl“, sagte der Zeuthener Martin Henkel. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sei kein internationales Drehkreuz am Standort Schönefeld genehmigt worden, sondern ein Flughafen für Berlin und Brandenburg. Durch das Abknicken der Flugrouten seien künftig mehr als 150.000 Menschen vom Fluglärm bedroht. Die Menschen hätten sich auf die geraden Flugrouten verlassen, wie sie im Planfeststellungsbeschluss kommuniziert worden seien. Nun fühlten sich die Menschen betrogen, da sie ihre Lebensplanung danach ausgerichtet hätten. Den Vorschlag nach dem so genannten Münchener Modell, bei Starts Richtung Osten zunächst weiter geradeaus zu fliegen und so Zeuthen zu umfliegen bezeichnete Henkel als einen ersten Kompromiss. Was in München erlaubt sei, könne am BBI nicht verboten sein.

Impressionen von der Großdemonstration in Schönefeld

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